О значении русской диалектной лексики для литовской этимологии

Rainer Eckert

Anotacija


ZUR BEDEUTUNG DER RUSSISCHEN DIALEKTALEN LEXIK FÜR DIE LITAUISCHE ETYMOLOGIE

Zusammenfassung

In vorliegendem Aufsatz werden eingangs Ausführungen gemacht über den großen Reich­tum der russischen Dialekte, die in lexikalischer und semantischer Hinsicht in vielem urslavische Verhältnisse widerspiegeln, ja nicht selten sogar noch weiter zurückreichende, ursprachliche Fakten bewahren.

Im folgenden sollen 6 etymologisch-wortgeschichtliche Studien zeigen, welche Bedeutung russischen Dialektwörtern bei der Aufhellung oder Bestätigung einer Reihe litauischer Etymologien beizumessen ist:

1. Dem lit. mẽdis „Baum, Holz“ und „Wald“, das von der Wz. *medh- „Mitte“ abgeleitet ist, entspricht nicht nur bereits von M. Vasmer zitiertes russ. dial. межа́ „Wäldchen“, sondern auch bisher unbeachtetes russ. dial. середи́ны „tiefgelegene, mit Wald bedeckte Landstriche“. Zu­dem ist russ. dial. дрему́ча середа́ neben bekanntem дрему́чий лес ebenfalls hierher zu stellen.

2. Die archaische Bedeutung dės lit. Verbs vãsaroti „erwärmen (in der Winterszeit)“, „warmmachen (von der Frühlingssonne)“ hat nicht nur in slovak, letný „kaum warm, etwas warm“ und čech. dial. (lachisch) letnó (voda) „warmes Wasser“ Entsprechungen, sondern vor allem in russ. dial. (um Smolensk) облетовать „erwärmen, Wasser warm machen“ und (um Tver’) обле́тниться „erwärmen (vom Wasser)“, sowie in den adjektivischen Bildungen russ. dial. ле́тний „etwas warm (vom Wasser)“, (pskovisch) ле́теплый, ukr. лiтеплий „lauwarm (vom Wasser)“, die ihrerseits ge­nau den litauischen Komposita vom Typ vasaróšiltis und vasárdrungnis entsprechen.

3. Lit. priim̃ti „jemand als Ehemann bzw. Schwiegersohn (zu sich) nehmen (auf einen Hof, der der Braut gehört bzw. gehören wird)“ läßt sich hinsichtlich seiner Struktur und Bedeutung der aus der Smolensker Gegend bekannte Dialektausdruck при́мень „Schwiegersohn, der in den Hof des Schwiegervaters aufgenommen wird“ zur Seite stellen.

4. Von O.N. Trubačev verglichenes lit. ėdmenė̃ „eßbare Dinge“ und altruss. (XVII Jhd.) емена, russ. dial. е́мины „Essen, Speise, besonders Getreide, das für den häuslichen Vorrat vor­gesehen ist“ konnten wir ergänzen durch russ. dial. (aus dem Smolensker Gebiet) е́мины „Getrei­de, das als Eß- oder Futtervorrat vorgesehen ist“, и́мины „Getreide als Eßvorrat“ und beloruss. е́мiнны, е́мiны, е́мны.

5. Die E. Fraenkel zweifelhaft erscheinende Verknüpfung von lit. gelumbė̃ „Wollgewebe“ mit gel̃tas „fahlgelb“ erfährt seitens der Semantik des russischen Wortes голубо́й in den Dialekten (es hat die Bedeutung „blau“, „grau“ und sogar „gelb“) eine überzeugende Stützung, die noch durch weitere Fakten ihre Bestätigung findet.

6. Für lit. paklė̃tė „Raum unter dem Vorratshause“ existieren in poln. poklat „Gartenlaube“ und russ. dial. (um Kursk) покле́ть „Bude, Gartenhäuschen (u.a.)“ ziemlich genaue Entsprechun­gen.

Ob es sich um ursprachliche Verwandschaftsbeziehungen, um Lehnbeziehungen oder um Tatbestände handelt, die sich auf unabhängige, parallele Entwicklung gründen — in allen Fällen ge­ben die russischen Dialektmaterialien wertvolle Aufschlüsse für Etymologie und Wortgeschichte des Litauischen.

DOI: 10.15388/baltistica.3.1.1661

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