Bendrieji rytų baltų Cē̆m (lem̃tilèmt) tipo veiksmažodžiai tarp kitų Cē̆R tipo veiksmažodžių

Audronė Kaukienė

Anotacija


DIE GEMEINSAMEN OSTBALTISCHEN VERBEN DES TYPS lem̃ti – lèmt ZWISCHEN DEN ANDEREN VERBEN DES TYPS Cē̆R

Zusammenfassung

In dem Artikel werden die Paare der Wurzelverben des Typs Cē̆m im Litauischen und Lettischen untersucht. Die Verben des Typs lit. lem̃ti – lett. lèmt sind unter vielen Aspekten dem Typ lit. gérti, gẽria, gė́rė lett. dzer̂t, dzeŗu, dzêru „trinken“ und lit. kélti, kẽlia, kė́lė – lett. cel̂t (el̃), ceļu, cêlu „heben“ ähnlich: im Präsens haben sie am meisten den ia-Stamm, im Präteritum den *ē-Stamm und ihnen ist die Dehnung des Wurzelvokals im Präteritum eigen. Mit diesem Artikel wird die Analyse aller Verben des Typs Cē̆R abgeschlossen.

Paare mit m in der Wurzel sind nicht so zahlreich wie die mit r oder l – nur 4 Beispiele sind gefunden worden. Verben des Typs Cē̆l gibt es etwas mehr (5), und der umfangreichste Typ ist Cē̆r – dazu gehören sogar 8 gemeinsame ostbaltische Verben.

Die gemeinsamen ostbaltischen Verben des Typs lem̃ti werden von verschiedenen (semantischen, morphologischen, morphonologischen u.a.) Standpunkten besprochen. Die Daten der beiden baltischen Sprachen und die Entsprechungen anderer verwandten Sprachen werden verglichen, mit dem Ziel, Ähnlichkeiten und Unterschiede zu klären. Gleichzeitig versucht man, die Formation des strukturellen Typs selbst, die Bedingungen und die Zeit seiner Bildung festzustellen.

Der Artikel besteht aus drei Teilen: in dem ersten wird die Semantik, in dem zweiten die Morphonologie (Vokalismus, Betonung, Konsonantismus) und in dem dritten die Morphologie besprochen (die verbalen Stämme des Präsens und Präteritums, Beziehungen zwischen den Verben, die aus gleichen Wurzeln stammen, doch einen anderen strukturellen Typ aufweisen; die baltischen Beispiele werden mit ihren Entsprechungen in den anderen Sprachen verglichen). Alle zur Analyse stehenden Verben stammen aus alten Verbalwurzeln, nicht alle haben aber Äquivalente in anderen verwandten Sprachen.

Nur zwei von den behandelten Verben haben Entsprechungen im Preußischen: lem̃ti und vémti. Das Verb rem̃ti hat im Preußischen nur verwandte Nomenableitungen. Die Wurzel *trem- „wegjagen“ ist im Preußischen überhaupt nicht ermittelt worden.

In der semantischenHinsicht ist eine große Ähnlichkeit zwischen den ostbaltischen Sprachen festzustellen.

Die Verben des Typs *Cē̆m haben viele Gemeinsamkeiten mit den Beispielen anderer Verbtypen. Ihnen ist die Bedeutung der aktiven Tätigkeit eigen. Die Mehrheit der litauischen und lettischen Entsprechungen haben die gleiche bzw. eine sehr ähnliche Bedeutung (vgl. lem̃ti – lèmt  „bestimmen“ u.a.).

Alle vier Verben des Typs Cē̆m stammen von den alten Verbwurzeln, jedoch nur drei davon haben Wurzelentsprechungen (d. h. nicht abgeleitete Wurzelverben) in anderen verwandten Sprachen. Das Verb lit. lem̃ti (lémti), lẽmia, lė̃mė (lė́mė) : lett. lèmt (em̃, em̂), lemju, lēmu „bestimmen, entscheiden“ (: pr. lembtwey, limtwei „brechen“) hat keine solchen Entsprechungen, und in anderen (nicht baltischen) Sprachen gibt es nur Ableitungen. Entsprechungen haben andere drei behandelten Verben:  lit. rem̃ti (ém) : lett. rem̂tiês (em̃); lit. trem̃ti : lett. °tremt; lit. vémti : lett. vem̃t „speien“ (: pr. wimbmis „speien“, wyms, wynis „spei“). Nicht alle Verben haben die alte Bedeutung beibehalten.

Dasselbe gilt auch für die Verben des Typs *Cē̆r und *Cē̆l. Sie alle gehören zu der gemeinsamen Schicht der ostbaltischen Lexik. Alle Paare sind identisch und stehen sowohl in ihrer Struktur als auch in ihrer Semantik einander sehr nahe. Obwohl die konkreten Bedeutungen ziemlich unterschiedlich sind, werden keine bedeutenden semantischen Gruppen gebildet, jedoch ist für alle Beispiele die Bedeutung einer aktiven Tätigkeit charakteristisch, der stärkere oder schwächere Einfluss auf das Objekt ist möglich. Die Bedeutung der nicht aktiven Tätigkeit (Prozess) ist viel seltener, am meisten ist sie mit dem Gebrauch verbunden. Alle Verben des Typs CeR stammen von alten Verbwurzeln, aber viele von ihnen haben Wurzelrelfexe nur in den baltischen Sprachen (in anderen Sprachen sind nur ihre Ableitungen vorhanden). Nur ein paar Verben haben die alte Bedeutung erhalten, und für die Mehrheit sind historisch bedingte Bedeutungsveränderungen bzw. –Verzweigung (Polysemie) eigen.

Alle besprochenen Verben sind in ihrer morphologischen Struktur sehr ähnlich: im Präsens weisen sie fast immer den ia-Stamm und im Präteritum den ē-Stamm auf. Aber in den Mundarten ist die gewisse Variation der morphologischen Struktur möglich. Obwohl die Paralellformen der Mundarten nicht immer zuverlässig sind, kommen sie jedoch vor. Dadurch unterscheiden sich die Verben des Typs Cē̆m von denen des Typs Cē̆l (kélti), deren Dialektformen mit dem a-Stamm nich so zuverläsig sind, und besonders von denen des Typs Cē̆r (gérti), welche diese Paralellformen überhaupt nicht haben.

Die Mehrheit aller Verben des Typs Cē̆R können verwandte Infix-Resultativa mit der Schwundstufe in der Wurzel in den ostbaltischen Sprachen haben [die Verben des Typs Cē̆m nicht nur mit dem i in der Wurzel, sondern auch mit dem u, vgl. lit. lem̃ti / lìmti und lùmti „fallen, sinken“, lett. lèmt : lìmt „sich biegen, brechen“ und ļùmt (um̂)], und die Verben des Typs Cē̆l – auch Verben mit dem ia-Stamm  mit einer ähnlichen Bedeutung (skélti, skẽlia / skìlti, skìlia).  Unter dem morphologischen Aspekt sind die Verben des Typs *Cē̆l unterschiedlicher, denen neben den Parallelformen in der morphologischen Struktur Entsprechungen des Typs *Cil-i̯a – *Cīl-ē charakteristisch sind.

Die Verbalentsprechungen aller drei Typen weisen in den verwandten Sprachen relativ viele Unterschiede auf, obwohl sie in ihrer morphologischen Struktur sehr nahe stehen. Sie bilden keine einheitliche Strukturgruppe: Cē̆m und Cē̆r haben öfter einen Nullformans im Präsens, und Cē̆l sind mehr formantisch, besonders mit dem Formans , charakteristisch. Außerdem gibt es in den anderen Sprachen Entsprechungen mit dem Nullformant oder anderen Formanten, deshalb ist die uniffizierte morphologische Struktur als Innovation der baltischen Sprachen zu betrachten.

Die morphonologische Analyse zeigt, dass die Verben des Typs *Cem-/*Cēm-, die quantitativen Vokalwechsel haben, von den apophonischen Wurzeln *Cem-/*Cm̥- (: *Com-) stammen. Die Entsprechungen anderer Sprachen haben in der Präsenswurzel am meisten die normale Ablautstufe *em. Die Schwundstufe ist äußerst selten, der o-Vokalismus ist überhaupt nicht charakteristisch. Die präteritale Dehnung des Wurzelvokals ist nur den Ostbalten eigen (siehe 3.3). Auch andere Verben des Typs Cē̆R (d. h. Cē̆r ir Cē̆l) weisen in den beiden ostbaltischen Sprachen den Ablaut *eR/*ēR auf und stammen von den apophonischen Wurzeln des Typs *CeR-/*C-. Sie haben also die normale Ablautstufe mit der Vokalverlängerung im Präteritum generalisiert (die Schwundstufe haben die Wörter anderer struktureller Typen im Litauischen und Lettischen generalisiert). Die Verben des Typs lemti unterscheiden sich von den Typen Cē̆r und Cē̆l dadurch, dass die Reflexe der Schwundstufe nicht nur Cim, sondern auch Cum sein können.

Das strukturelle Modell *CeR/*CēR hat sich wahrscheinlich in der Epoche der Ostbalten entwickelt, weil die Beispiele anderer Sprachen einen unterschiedlichen Wurzelvokalismus aufweisen. In manchen Fällen wurde die normale Ablautstufe *CeR- generalisiert, und in den anderen die Schwundstufe *Cr̥-. Solche Generalisierung ist fast in allen Fällen ganz analog.

Bei allen Verbtypen ist die Einbürgerung des Akuts (im Litauischen des Stoßtons und im Lettischen des Brechtons bzw. des steigenden Tons) offensichtlich. Das ist besonders für die Verben des Typs Cē̆l charakteristisch, und der Ton der Dialektformen des Typs Cē̆r und Cē̆m wechselt. Aus diesem Grund können die Rekonstruktionen der indogermanischen Wurzeln mit Laringalen, insbesondere wenn sie außschließlich auf baltische Töne beruhen, nicht ganz zuverlässig sein.

Die morphologische und die morphonologische Strukturen sind eng miteinander verbunden. Sowohl die Generalisierung der ia-Formen im Präsens und ē-Formen im Präteritum als auch die aus derselben Wurzel entwickelten Formen anderer Strukturen haben den einen oder anderen Wurzelvokal. So hat sich der ostbaltische Typ *CeR- i̯a – *CēR-ē entwickelt. Diese Prozesse wurden von der den baltischen Sprachen charakteristischen Wurzelverzweigung auf der Basis der Diathesenopposition ausgelöst. Es gibt einen Grund zur Annahme, dass die analysierten ostbaltischen Verben von den apophonischen Wurzeln CeR-/CiR- mit dem Nullformant im Präsens (gema, gimė) entstanden sind, die keine verwandten Formen mit Infixen oder mit dem sta-Stamm haben. Am weitesten sind in dieser Hinsich die Verben des Typs gerti fortgeschritten (mit r in der Wurzel). Sie sind nicht nur die zahlreichsten, sondern auch ihre Formen sind am regelmäßigsten, und die alten apophonischen Wurzeln sind spurlos verschwunden. Die Verben des Typs kelti (mit l in der Wurzel) bleiben von ihnen nicht viel zurück.

Am wenigsten ist der Typ remti fortgeschritten (mit m in der Wurzel). Dieser Strukturtyp ist nicht bis zum Schluss entwickelt. Das zeigen folgende Merkmale:

  • Es gibt weniger allgemeine Verben des Typs Cē̆m als Cē̆r oder Cē̆l.
  • Verben mit m im Wurzelauslaut können in Dialekten a-stämmige Formen im Präsens aufweisen.
  • Manche Beispiele im Präteritum haben keinen quantitativen Vokalwechsel: lett. tremt, tremju, tremu (es gibt keine Verlängerung!) (: lit. tremti, tremia, trėmė / trìmti, trìmsta).
  • Nicht alle Wurzeln des Typs  *Cem-/*Cm̥- wurden in die Verben des Typs lẽmia, lė̃mė transformiert. Manche haben den Vokalwechsel beibehalten. An der ersten Stelle ist das Verb lit. gìmti (und gim̃ti), gẽma, gìmė „zur Welt kommen (von einem Kind)“, lett. dzìmt, dzmu, dzimu (aus dem balt. *gem-/*gim- „zur Welt kommen, geboren werden“ < ide. *guem-/*gum̥- „kommen“ zu erwähnen. Später haben sich in der litauischen und der lettischen Hochsprachen sowie in den meisten Dialekten sta-stämmigen Formen eingebürgert, die besser zu der mutativen Bedeutung passen (gẽma gìmsta, dze̦mu dzìmstu). Das Verb im̃ti hat einen eigenartigen Vokalwechsel. Sein Paradigma entwickelt sich in den ostbaltischen Sprachen in zwei Richtungen. Im Litauischen merkt man die Neigung dazu, den Vokalwechsel auszugleichen, während man die Schwundstufe generalisiert: dialekt. im̃ti, ìma // imia, ìmė „nehmen“ (ähnlich wie pr. īmt „nehmen“, immimai „wir nehmen“). Andererseits besteht zwischen den Präsens- und Präteritumformen (j)ẽma und ė̃mė ein ähnlicher quantitativer Vokalwechsel wie bei den untersuchten Verben des Typs Cē̆m-. Solcher Wechsel hat sich in den lettischen Dialektformen jem̃t (em̂), je̦mu, jẽmu eingebürgert.

Von den untersuchten Verben des Typs Cē̆r, Cē̆l und Cē̆m unterscheiden sich die Verben mit n im Wurzelauslaut völlig. Die Cen-Verben haben den Ablaut ø : e in den Präteritum- (und Infinitiv-) und Präsensformen. Ihnen sind a-stämmige Formen im Präsens und ē-stämmige Formen im Präteritum eigen, vgl. lit. giñti, gẽna, gìnė : lett. dzìt, dze̦nu, dzinu „ginti, varyti“ (mehr zu solchen Verben siehe Kaukienė, Pakalniškienė, Dulkienė 2006). Historisch gehörten zu diesem Typ auch solche Verben wie lit. pìnti, pìna // pẽna, pýnė : la. pît (ĩ), pinu, pinu. lie. gìnti, gìna, gýnė.

Der Typ Cem ist also eine Art Übergangstyp zwischen den behandelten Verben des Typs Cē̆R und den Verben mit den apophonischen Wurzeln CeR/CiR.

Wegen Mangel an zuverlässigen Daten ist es schwer zu sagen, ob es Wörter mit einer ähnlichen Struktur (des Typs Cē̆R) im Preußischen gab. In keiner anderen verwandten Sprache gibt es einen einheitlichen strukturellen Typ, der den baltischen Verben des Typs Cē̆R ähnlich ist: die Entsprechungen sind sowohl in ihrer morphonologischen als auch in ihrer morphologischen Struktur sehr ähnlich. Es gibt jedoch mehr Grund davon auszugehen, dass es im Preußischen, mindestens in der Katechismensprache, Verben solchen Typs nicht gegeben hat. Die Mehrheit der Verben des Typs CeR, deren Wurzel mit einem Sonanten endet und die in den ostbaltischen Sprachen Entsprechungen mit e in der Wurzel haben, haben in den preußischen Schriftdenkmälern Schwundstufenwurzeln: l – prawilts „verraten, enttäuscht“, prowela (*pra-wil-ā) „hat verraten, enttäuscht“ (: lit. vìlti, vìlia, výlė und vélmi : lett. vìl̂t, viļu, vīļu „enttäuschen“); m – lembtwey (*limtwei), limtwei „brechen“, limatz, lymutz, līmauts „hat gebrochen“ (: lit. lem̃ti, lẽmia, lė̃mė lett. lèmt lemju, lḕmu „das Schicksal zuteilen“); wimbmis „speien“ GrG 31, wyms GrH, wynis „spei“ GrF36 (: lit. vem̃ti, lett. vem̃t „erbrechen“); gimton, gemmons (*gimuns) „geboren“, ainan-gimmusin „einzig geboren“ (: lit. gìmti, gẽma // gìmsta, gìmė, lett. dzìmt, dze̦mu // dzimstu, dzimu); īmt, imma „ich nehme“, imma, jmmitz „(er) nahm“ (: lit. im̃ti, ìm(i)a // (j)ẽma, ė̃mė, lett. dialekt. jem̃t, je̦mu, jẽmu); grīmons „gesungen“ (: lett. gremt, gremju, grēmu „murmeln“); n – guntwei „treiben“, gunnimai „wir treiben“ (: lit. gìnti, gẽna, gìnė, lett. dzīt, dzenu, dzinu); pr. stenuns, stīnons „gelitten“ (: lit. stenė́ti, stẽna : lett. stenêt). Der Vokal kann im Präteritum gedehnt werden: stīnons, līmauts, grīmons (aber stenuns, imma, jmmitz, prowela). Nicht ganz klar ist der Vokalismus der Verbalwurzel er- (mit r im Wurzelauslaut): etwēre „du öffnest“, etwerreis ̥(könnte auch et-wir-ei-s sein) „öffne“ (: lit. vérti, lett. vẽrt). Jedenfalls gibt es kein Beispiel, das beweist, dass die Verben des Typs Cē̆R im Preußischen entwickelt waren. Diese Erscheinung ist also eine Innovation der Ostbalten (wie die Verzweigung aufgrund der Diatheseopposition).

Der behandelte strukturelle Typ Cē̆R ist in den ostbaltischen Sprachen ziemlich produktiv geworden. Das zeigen die Beispiele, die sich im Litauischen und Lettischen selbständig entwickelt haben, nachdem sich die beiden Sprachen voneinander getrennt haben: verschiedene performatorische, neue imitatorische Formanten oder sogar Entlehnungen.


DOI: 10.15388/baltistica.42.2.1169

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